Inhalt / Kritik
Der Anblick ist ebenso rätselhaft wie erschreckend: Eine Frau wurde auf einem Kinderspielplatz ermordet aufgefunden, jemand hatte ihr eine Hand abgeschnitten. Wer könnte nur etwas derart Grausames getan haben? Und noch etwas stellt die Polizistin Naia Thulin (Danica Curcic) und ihren neuen Partner Mark Hess (Mikkel Boe Følgaard) vor ein Rätsel. Denn der Mörder hat neben der Leiche ein kleines Kastanienmännchen platziert. Auf dieser finden sich Fingerabdrücke von Kristine Hartung, der Tochter der Sozialministerin Rosa Hartung (Iben Dorner) und ihres Mannes Stehen (Esben Dalgaard Andersen). Nur kann das eigentlich gar nicht sein. Denn die wurde vor über einen Jahr entführt und seither von niemandem mehr gesehen. Lebt sie etwa doch noch oder hatte sie das Kastanienmännchen damals gebaut? Und wenn ja, wie kam der Mörder an dieses heran?
Ein Fachmann für düstere Geschichten
Fans unterkühlter Krimis und Thriller könnten Søren Sveistrup schon auf die eine oder andere Weise begegnet sein. Zum einen hatte er die beliebte Krimiserie Kommissarin Lund kreiert und an deren Drehbüchern gearbeitet. Außerdem war er an der Romanadaption Schneemannbeteiligt. Irgendwann reichte es ihm aber wohl nicht mehr, die Texte für bewegte Bilder zu schreiben. Und so erschien 2018 mit Der Kastanienmannein erster Roman von ihm. Dieser war offensichtlich erfolgreich genug, dass auch dieses Werk adaptiert wurden. Netflix schnappte sich am Ende die Rechte. Sveistrup selbst kümmerte sich um die inhaltliche Umsetzung, gemeinsam mit Dorte Warnøe Høgh (Wenn die Stille einkehrt) und David Sandreuter (Tatort: Tödliche Flut).
Die Adaption hat sich auch gelohnt, zumindest aus Sicht des Publikums. Stimmungsvoll wenn auch reichlich brutal beginnt Der Kastanienmann. Zuerst gibt es einen kleineren Prolog, der bereits vermuten lässt, dass da eine finstere, länger zurückliegende Geschichte ihre Schatten wirft. Und spätestens wenn die bizarre Szenerie rund um die verstümmelte Frauenleiche die Haupthandlung in Gang setzt, dürfen sich Zuschauer und Zuschauerinnen mit einer Vorliebe für düstere Thriller freuen. Denn hier geht es eben nicht nur darum herauszufinden, wer der Mörder ist und ihn aufzuhalten. Das ist mit weiteren Geheimnissen verbunden, so viel ist klar. Geheimnisse, die erst noch aufgeklärt werden müssen.
Klassische Mördersuche
Bis es so weit ist, dauert es natürlich ein Weilchen. Ein Großteil der sechs Folgen befasst sich ganz klassisch mit der Spurensuche. Da wird die Biografie der Toten untersucht, werden mögliche Motive gesucht, mit Leuten geredet, die etwas mit der Sache zu tun haben könnten. Zwischendurch tauchen neue Leichen auf, welche die Dringlichkeit erhöhen. Denn wer einmal mordet, der tut das oft mehrfach. Dabei wird bald klar, dass in Der Kastanienmannnicht einfach nur ein Wahnsinniger seiner Arbeit nachgeht. Dass das mehr ist als nur ein zwanghafter Frauenmörder. Die Frage ist nur, sowohl für das Ermittlungsduo wie auch das Publikum, was genau der Grund ist für diese bizarren Morde.
Die Auflösung kommt schon ein wenig überraschend, auch wenn die grundsätzliche Richtung nicht allzu viel Fantasie erfordert. Tatsächlich ist die Geschichte nicht wirklich komplex, selbst wenn sie schon etwas um die Ecke erzählt wird. Man darf auch das eine oder andere Fragezeichen hinter die einzelnen Handlungen setzen. Da ist nicht alles unbedingt nachzuvollziehen. Der Kastanienmann ist keine Serie, über die man allzu sehr nachdenken sollte. Es steht die Spannung im Vordergrund, sowohl während der Ermittlungen wie auch beim Finale. Ist erst einmal die Katze aus dem Sack, dürfen schließlich auch Szenen zur Zuspitzung nicht fehlen. Die ansonsten recht ruhig erzählte, etwas distanzierte Serie will dann richtig brenzlig sein.
Viel Stimmung zwischen Abgrund und Unschuld
Ob es das gebraucht hätte, darüber lässt sich streiten. Gut gelungen ist aber auf jeden Fall die Atmosphäre. Der Kastanienmannweiß schon, wie man die Geschichte in Szene setzt. Gerade die Settings tragen doch einiges dazu bei, dass man sich gern in dem düsteren Thriller verliert. Bizarre Morde in Wäldern, das funktioniert immer. Die Idee mit den kleinen Kastanienmännchen sorgt zudem für ein ganz eigenes Flair, wenn eine beliebte Kindertätigkeit mit den Verbrechen verbunden wird, Abgrund und Unschuld also eng beieinander liegen. Hinzu kommt, dass die Serie mit viel Tragik einhergeht und wir – typisch skandinavisch – eine Reihe gebrochener Menschen kennenlernen. Wer diese Art Geschichten mag, der kommt hier daher auf seine Kosten, zumal die Serie anders als so manch andere Netflix-Produktion eine gute Länge hat. Trotz der recht ruhigen Art kommt hier keine Langeweile auf.
Credits
OT: „Kastanjemanden“
IT: „The Chestnut Man“
Land: Dänemark
Jahr: 2021
Regie:Kasper Barfoed, Mikkel Serup
Drehbuch: Dorte Warnøe Høgh, David Sandreuter, Søren Sveistrup, Christoffer Örnfelt, Elsebeth Nielsen
Idee: Dorte Warnøe Høgh, David Sandreuter, Søren Sveistrup
Vorlage: Søren Sveistrup
Musik: Kristian Eidnes Andersen
Kamera: Sine Vadstrup Brooker, Louise McLaughlin
Besetzung: Danica Curcic, Mikkel Boe Følsgaard, Iben Dorner, Esben Dalgaard Andersen, David Dencik, Lars Ranthe, Liva Forsberg, Ali Kazim, Louis Næss-Schmidt
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